Sie wartete in der Ankunftshalle auf mich. Sie hatte sich geschminkt. Es lungerte ein hauchdünner Kajalstrich an der Innenseite der Lider, so fein, dass ich nicht sicher war, ob es ihn wirklich gab. War es denn nur eine Einbildung, die Augen plötzlich in einem geheimnisvollen Flor größer und größer werden zu sehen? Das helle Blau verlor sich im Dunkel der Wimpern, wurde weitläufiger – ausufernd in eine Welt der Fantasie und der Träume, in der ihre Augen, ohne dass sie viel dafür konnte, Fluten von Geheimnissen mit sich trugen. Sie verhießen Geschichten, die ich mir bis jetzt nie erdacht hatte. Sie hatte ein Gesicht vieler Welten, in die ich hineintauchen konnte, in die ich hineingesogen wurde, Welten der Schönheit auch. Irisierende Seen in verborgenen Wäldern, zu denen man nur durch Zufall fand. Sie war sich ihrer Schönheit nicht bewusst, sie strahlte vor Glück, das machte ihr Gesicht so klar, die Lippen lächelten in einem zarten Schwung. Und diese Haare! Wie sie fielen! Und diese Stimme und dieser Blick und dieses mich halten und vor Aufregung gar nichts mehr sagen können. Sie war so schön, und so hingegeben, und so voller Liebe, so dass mir diese Zuwendung plötzlich fremd vorkam, als betrachtete ich uns beide von außen. Unwahrscheinlich schien, dass dieser Moment zu mir gehörte. Diese Fusion von Samt, Dunkel und Sternen. Ein Ruf ferner Legenden und wie ich diese mir als Kind vorstellt hatte, wenn ich Tausend und eine Nacht las, als der Fantasie noch keine Grenzen gesetzt waren.
Ihre Schönheit sah ich nicht als Äußeres, als zu Betrachtendes. Ihr Ich war schön, ihr Körper in seiner hingebungsvollen Weichheit und doch konkreten Griffigkeit. Ihre Lippen, die meine machen ließen, wie ich wollte, ihre Arme, die mich umfassten, damit ich alsbald versank in ihr.
Die ganze folgende Nacht gestaltete sich neu. Die erste Umarmung zu Hause, nachdem ich mich auf das Sofa gekniet hatte, um die Lehne zurückzuklappen und sie mich fordernd – so kenn ich sie gar nicht – von hinten packte und rief, „wenn du mir deinen Hintern so entgegenstreckst, , dann will ich dich einfach nur ficken.“
Von ihr genommen, von ihr an ihren Körper gepresst. Sie war frech, allein schon durch die neue Lederjacke dazu angestachelt, oder durch die Schminke, die erste Verkleidung, der sie sich unterzogen hatte. Als ich mich ausziehen wollte, war diesmal sie es, die ausrief, ‚nicht so schnell, so warte doch‘, und die mit einem Aufseufzen langsam meinen Slip beiseite schob, die Schamlippen freilegte und mit dem Mund hinlangte, die Zunge tippte schnell dazwischen, meine Möse haben wollend, mich nehmend. Und als sie mich eindrang und zustieß war es wie zum ersten Mal im Leben. Mein Unterleib geriet in schaumigen, aufquellenden Aufruhr und ich kam in Sekunden. Etwas später auch sie in Sekunden, obwohl sie zuerst kokett ausgerufen hatte, „nein, es geht nicht, ich bin zu müde“, dann kam sie doch und zwar nicht enden wollend.
Und das ist sie auch: die in allem erfüllte Frau, mehr femme als femme, dahinschmelzend und mir ausgeliefert. Auf dem Rücken liegend, mir mit Blicken folgend und aufstöhnend, wenn ich sie in den Arm nehme, um mich an ihr gütlich zu tun. Dann wieder der Lausbub, der mich unaufgefordert und in nie vorhersehbaren Bewegungen für sich selbst zu ihrem eigenen Wohl erregt und in Besitz nimmt.
Wie ein scanner ein Bild so tastete ich die Makellosigkeit unseres ersten Aufeinander- Ineinandertreffens nach vielen Wochen ab, versuchte zu registrieren, wie wir einander verschlangen, versuchte, mit dem Hirn Ordnung in diesen Ablauf, in die Aufeinanderfolge von Gefühlen und Eindrücken zu bringen, uns mit etwas Abstand zu betrachten und meine eigenen Gedanken zu erhaschen. Irgendwann ließ ich es. Ich war so glücklich. Ich hatte eine weitere Tür zu ihr aufgestoßen. Und sie: so smooth, so smooth. Lachend und tiefe Stimme und unberechenbar in ihren Berührungen und Küssen. Ganz anders als ich, sosehr mein Gegenüber und doch Vereinigung im Sinn habend. Erstaunlich präsent.
Kurzgeschichte erschienen in: Ladys, Lust & Leidenschaft