Swift, Swifties, Swift Vienna – Teil 2

Anschlagspläne, Absage – Der Straß funkelnde Heißluftballon Taylor Swift platzt und damit die Träume Tausender.

Ich erinnerte mich, dass 2022 die Rolling Stones nach Wien kamen und ich trotz sehr teurer Karten meine beste Freundin überreden konnte, mitzugehen. ‚Wer weiß, ob die je wiederkommen. Mick Jagger ist 78.‘ Die Stones waren pure Nostalgie für uns,, genauso in den Jahren davor das letzte Madonna Konzert. Aber Taylor Swift wäre keine Nostalgie, sie ist am Höhepunkt ihres Schaffens, sie ist DER Star der Gegenwart schlechthin. Ich leistete mir ein Ticket.

Die Tage rückten näher und ich wurde in meiner Wahl bestätigt, alles fieberte diesen drei Abenden entgegen, die Zeitungen überboten sich mit Schlagzeilen, das Wochenmagazin profil toppte alles mit der Titelseite „Die Supernova in Wien“. Und auch wenn einige Journalisten diese Musik nicht mochten – da gab es Bandbreiten von ‚entsetzlich öde‘, ‚immer das gleiche‘, ‚uninspiriert‘ – schrieben die meisten ‚großartig‘, ‚Akkorde für die Ewigkeit‘, ‚trifft das Herz der jungen Frauen‘, ‚ist sogar der Liebling der queer Community‘. Man gab zu, dass der Hype (wie sie den Erfolg von Swift flapsig nannten) nicht unberechtigt war, nach mehr als 200 Millionen verkauften Platten, 14 Grammy Awards, 40 American Music Awards, 29 Billboard Music Awards, 12 Nummer 1 Hits, 14 Nummer eins Alben, 100 Einträgen ins Guinness Buch der Rekorde. Und täglich wird ein neuer gebrochen. Die Zugriffe auf die streaming Plattformen eines einzigen Tages gehen in die Milliarden.

Man überschlug sich: Swift, das Arbeitstier, Swift, die während ihrer großen Tournee neben 152 Shows ganz nebenbei noch ein neues Album schreibt und produziert, Swift, die täglich am Laufband stundenlang ihre Songs probt, um für dreieinhalb Stunden Show mit herausfordernden Tanzeinlagen körperlich und stimmlich fit zu sein, Swift, die als Neunjährige bereits komponiert hatte, seit Kindheitstagen textet, Songs kreiert, Gitarre und Klavier spielt, Swift, die schon für ihr erstes Album einen Award bekam. Swift, sexuell ein unersättliches Raubtier, die in ‚Blank Space‘ sogar ihren Liebhaberverschleiß zelebriert. Swift, Swift, Swift. Dieser Schwung riss mich mit. Ich kaufte mir sogar ein neues iPhone, um die Stimmung im Stadion zu dokumentieren, suchte in den letzten Stunden noch nach Glitzertops in den Boutiquen – vergeblich, in Wien gibt es sowas außer zu Weihnachten nicht, nicht einmal wenn eine Taylor Swift in die Stadt kommt, in deren Zuschauerreihen alles glitzert und glänzt vor lauter Pailletten, die ihre Fans für sie tragen. Ich war schon drauf und dran, eines meiner Paillettenkleider zu kürzen, um ein Hemdchen daraus zu machen. Freundschaftsarmbänder hatte ich auch keine, es gab in der ganzen Stadt keine Perlen mehr schon gar keine Buchstabenperlen, um Evermore, oder Lover, oder All too well in die Bändchen zu fädeln.

Und dann war plötzlich alles hinfällig. Das Event fand nicht statt. Der strassfunkelnde Heißluftballon war geplatzt, die Träume Tausender.

Häme und geballter Frauenhass

Nach dieser Vernichtung von Träumen ging es richtig los. Zuerst explodierte in der Presse der Furor über die Behörden, die, typisch österreichisch, versagt hätten. Dann die Häme über die ‚kindischen Tränen der ‚weißen‘ Fans‘. Die Foren in den Medien wurden dazu genutzt, um über die Swifties, hauptsächlich junge Frauen und queere Menschen, herzuziehen. „Endlich aus mit den Swifties.“Ich würze mein Steak heute mit Swiftie-Tränen.“ Da ich nun selbst irgendwie zum Swiftie geworden war (ich fand sogar heraus, dass die Sternschnuppen der Perseidennächte Anfang August, zur Zeit der geplanten Konzerte, glitzernde Eisteilchen des Kometen Swift Tuttle waren), schockierten mich diese Hassorgien besonders. Getrieben von offener Frauenfeindlichkeit, innerer Verrohung, und einem erbärmlichen Umgang mit Gefühlen gönnte man den Fans nicht einmal den tränenreichen Ausdruck ihrer Enttäuschung und schon gar nicht, dass sie zusammen auf den Straßen sangen. Dieser Ausbruch von Hass auf Swifts Fans war ein Ausdruck struktureller internalisierter Misogynie. Denn im Gegensatz dazu empört sich niemand, wenn bei Fußballländermatches grölende Männertrupps mit Gesichtsbemalung und Kopfschmuck in Nationalfarben, die Bierflasche in der einen Hand, die Fahne ihres Vereins in der anderen, durch die Stadt torkeln und immer wieder dieselben blödsinnigen Refrains singen.

Durchtränkt von Frauenfeindlichkeit war auch das genüssliche, spöttische Wiederkauen, Kommentieren und Bebildern der Tränen und der Verzweiflung der Kids, für die diese Reise die teuerste und aufregendste ihres Lebens sein hätte sollen, die an ihrem Star bedingungslos hingen, die mit Taylor Swift Outfits, ihrem Sound, ihren Songs, ihren Lyrics verschmolzen, und monatelang Freundschaftsbändchen geknüpft hatten, nur um sie mit wildfremden Mädchen zu tauschen, um sie zu verschenken und ein anderes zurückzubekommen, sich zu vernetzen. Weibliche Solidarisierung ist ein mächtiges Zauberwort. Der Austausch selbstgemachter Bändchen erinnert mich an archaische Freundschaftsrituale, die früher, wie konnte es anders sein, der herrschenden Klasse, sprich den Männern vorbehalten waren. (weiterlesen Teil 3)

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